Zwei Welten am Moritzer Turm: Vorerst keine Komplettsperrung, aber starke Beschränkungen

Frankenjura.com - 30.04.21

An einem Sonntag im April eskaliert die Lage am Moritzer Turm, seitdem ist der Fels von einer Sperrung bedroht. Wir beschreiben die Situation und sagen auch, wie der Kletterfels vielleicht zu retten ist.

Ein Idyll wie aus dem Bilderbuch: Der Moritzer Turm am Rande der gleichnamigen OrtschaftEin Idyll wie aus dem Bilderbuch: Der Moritzer Turm am Rande der gleichnamigen Ortschaft

Man steigt aus dem Auto aus und spürt Idylle pur: Hier der Parkplatz, da der steil aufragende Turm mit den vielen fantastischen Ausdauerrouten, die so Lust auf das Spiel mit der Schwerkraft machen. Dazwischen nur Wald und saftige Wiesen, alles ist eingebacken in die Kulisse eines verschlafenen fränkischen Dörfchens. Der Deckel des Kofferraums fällt ins Schloss und die Familie schlappt guter Dinge mit Kind und Kegel, Picknickdecke und Hängematte über die Wiese zum Fels. Endlich hat der Hund mal wieder etwas Auslauf und die Kiddies können mal ihr neues Schnitzwerkzeug ausprobieren.

Es kommen wie verabredet noch Freunde, man ist gut gelaunt, fachsimpelt und feuert den Buddy an beim „Go“ in „High Gravity Day“. Der scheitert knapp am vorvorletzten Zug und schimpft wie ein Rohrspatz. Ein Hund bellt, ein zweiter fällt ein. Die Hunde verstehen sich, der Tag ist gerettet. Am Wandfuß ist es noch frisch, es ist ja erst halbelf. Folgerichtig kommen Hängematte und Picknick-Buffet nicht in den schattigen Wald, sondern auf die sonnige Wiese.

Familie Lang lebt in der Fränkischen Schweiz in der Gemeinde Gößweinstein, genauer im Ortsteil Moritz. Das männliche Familienoberhaupt ist 73 und Vater von vier Kindern, drei davon sind aus dem Haus. Er wohnt mit seiner Frau am Ortsrand. Hinter dem Haus aus den 70ern erstreckt sich eine große Wiese und Wälder. Platzmangel gibt es hier keinen, dafür eine Fernsicht, wie man sie selbst im Frankenjura nur selten findet. Vielleicht ist genau dieser Ausblick ein Grund für die Großzügigkeit der Familie. Vor mehr als 30 Jahren kamen die ersten Kletterer an den Moritzer Turm, seitdem heißt Lang diese auf seinem Grundstück willkommen.

Keine freie Wildnis, sondern Garten: Die Wiese vor dem Moritzer TurmKeine freie Wildnis, sondern Garten: Die Wiese vor dem Moritzer Turm

Im Prinzip seien sie ja anständig, sagt Lang, hin- und hergerissen. Die allermeisten wären freundlich. Nette Leute, mit denen man reden könne. Müll läge ja so gut wie keiner am Wandfuß, lobt er. Aber einige der Besucher raubten ihm seine positive Grundstimmung. Einige Kletterer würden nicht wahrnehmen, dass sie sich nicht in freier Wildnis, sondern in einem Garten befänden. Und dass es keine Selbstverständlichkeit sei, hier sein zu dürfen. Denn objektiv betrachtet ist es das nicht.

Der Turm steht wenige Meter hinter dem Haus und der Wandfuß befindet sich, nur getrennt durch einen schmalen Saum aus Bäumen, tatsächlich im Garten der Langs. Und wie jede andere Familie auch, fühlen sie sich gestört durch Fremde, die ihren Garten zum Picknicken, zum Chillen in der Hängematte und - auch zum Verrichten ihrer oder der Notdurft deren Hunde - nutzen.

Unbeobachtet im Garten zu sitzen ist an Wochenenden während der Klettersaison so gut wie unmöglich. Rasenmähen wird zur Tortur, denn auf der Wiese entrichtete Fäkalien verteilen die Mähmesser flächenhaft. Ängstliche Familienmitglieder trauen sich nicht mehr aus dem Haus aus Angst, im Garten von spielenden Hunden gejagt zu werden. Und on top findet sich das Familienoberhaupt immer wieder in der Rolle des Anwalts für Kletterer.

Die Lage am Moritzer Turm ist angespannt, nur eine konsequente Einhaltung der Regelungen kann das Kletterziel rettenDie Lage am Moritzer Turm ist angespannt, nur eine konsequente Einhaltung der Regelungen kann das Kletterziel retten

Nämlich dann, wenn andere Bewohner der benachbarten Ortskulisse wieder einmal finden, dass das Gegröle in Nachbars Garten bei Erfolg oder Scheitern des Aspiranten deutlich die Mittagsruhe störe und man sich deshalb kaum noch auf der Terrasse aufhalten könne. Und am Abend dann heißt es bei den Langs Bäumchen zählen. Also die Bäumchen, die nicht den Kindersägen am Wandfuß zum Opfer gefallen sind, in der fälschlichen Annahme, es gäbe von dem Grün ja genug und eine Freistellung des Felsens wäre ohnehin nicht schlecht.

Das alles passiere nicht geballt an jedem Wochenende. Aber wenn etwas davon passiere, dann habe die Familie daran zu knabbern. Grund für das Fehlverhalten sei aber weniger Böswilligkeit unter Kletterern, sondern vielmehr fehlende Sensibilität und teilweise auch Ignoranz.

Beides reichte, um mit den Jahren die positive Haltung und Toleranz der einst großzügigen Familie verschwinden zu lassen. Nach einem Sonntag im April 2021, an dem vieles zusammenkam, steht der Moritzer Turm nun kurz vor der kompletten Sperrung. Lang konsultierte bereits einen Anwalt und arbeitet an einem Schlachtplan, um den Klettersport zu unterbinden. Bei unserem Vermittlungsversuch, der durch eine aufmerksame Kletterin initiiert wurde, zeigte er trotz allem Kompromissbereitschaft – in letzter Minute und vielleicht zum letzten Mal.

Die neuen Regeln bedeuten für Kletterer einen Einschnitt: Es dürfen nur noch vier Personen gleichzeitig an Wand und Wandfuß sein, Hunde sind gänzlich untersagt. Die Regeln stehen im Detail auf einem Schild, das jetzt am Wandfuß hängt. Diese Regeln und dieser Artikel sollen bei Kletterern Sensibilität und Achtung gegenüber denen anregen, die in der anderen Welt leben – und im besten Falle die positive Grundstimmung der Familie Lang zurückbringen.



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Kommentare

Höhlngogerer am 13.05.21

Hallo Sven
es gibt nur in Bayern das Betretungsrecht. Auch Eigentum des Anderen ist trotzdem zu Achten. Es gibt mehr Fälle in der Fränkischen wo der Besitzer am Wochenende ein Kletterverbot ausspricht weil er direkt daneben Wohnt. Es gibt ja auch das Recht auf Privatsphäre.
Aber scheinbar gehen inzwischen Leute in die Natur die noch nie da waren. Jeder Fleck in Bayern gehört irgend jemanden. Man sollte halt mit der Natur so umgehen als wäre man nur Gast und nicht allein auf der Welt.

TiHa am 01.05.21

sehr guter Artikel, danke! Ich empfehle, so ein Schild schon am Parkplatz anzubringen.

Kletterwolf am 30.04.21

Kann die Anwohner hier gut verstehen :-(.
Vielen Dank an alle, die sich für beide Seiten einsetzen, vermitteln und Sperrungen verhindern!

Beeblebrox am 30.04.21

Die Reaktionen der Anwohner kann ich völlig nachvollziehen. Die Einstellung mancher - Kletterer und Nicht-Kletterer -, dass die Natur ein riesiger Vergnügungspark ist und sich jeder aufführen kann, wie es ihm beliebt, hat leider überhand genommen.

JensLisse am 30.04.21

Aus meiner Sicht ist es nicht verwunderlich, dass es immer wieder zu diesen Vorfällen kommt. Nicht jeder Kletterer informiert sich vorab auf Frankenjura.com über die Spielregeln am Fels - auch wenn das sicher gut wäre. Am Moritzer Turm war bis dato keinerlei Schild welches auf die Lage hingewisen hat. Gerade ein Schild am Fels reicht ja nicht weil dann meistens schon alles zu spät ist. Der Grundstückseigentümer möchte ja explizit nicht dass an oder auf der Wiese geparkt wird oder der Fels über diese betreten wird. Stattdessen soll der Zugang über seine private Einfahrt genommen werden. Dies ist ungewöhnlich und ich persönlich habe dabei jedes Mal viel mehr das Gefühl die Privatsphäre der Familie zu stören. Sinnvoll wäre eine gute Beschilderung bezüglich parken und Zugang - damit wäre schon viel Ärger vorgebeugt. Bezüglich der Lautstärke kann ich die Argumentation nicht ganz nachvollziehen. Es ist nun mal so dass es ein Betretungsrecht gibt und auch Regelungen zur Ruhestörung. Solange man sich hier im Rahmen verhält muss dies auch von den Anwohnern "ertragen" werden. Es gibt schließlich auch Menschen die ihre Gärten neben Straßen, Spielplätzen, Wanderwegen oder ähnlichem haben. Hier gibt es nun mal kein gesondertes Lärmschutzrecht. Dass Eltern auf ihre Kinder achten sollten und Hundehalter auf ihre Hunde bzw. deren Exkremente halte ich für selbstverständlich. Schade dass dies immer noch missachtet wird.

Alexa am 30.04.21

Schön geschrieben, danke Sven:-) Würde mich auch nerven, ständig Horden in meinem Garten zu haben.:-) Wir sehen die Entwicklung ja an der Förstelsteinkette, Intensivstation...

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